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Geschichte der Briten
(Historia Brittonum)
von Nennius
Übersetzt von J. A. Giles
Quelle: www.gutenberg.org
Der Prolog[]
Vorwort des Geschichtsschreibers der Britonen, Nennius, zur Geschichte der Britonen.
1[]
Der Niedrige der Knechte Christi, Diener und Knecht Nennius, durch Gottes Gnaden Schüler des heiligen Elbotus, (wünscht) allen, die der Wahrheit gehorchen, Heil.
Ihr mögt es mir nachsehen, dass ich es - angesichts meiner minderen Begabung und ungebildeten Sprache - gewagt habe, so gut ich kann und ohne den Glanz eigenen Wissens, das entweder gar nicht vorhanden oder allenfalls lückenhaft und kümmerlich ist, diese Dinge in plumpem Stil den lateinischen Ohren zu überliefern.
Ich fügte diese eine kleine, woimmer auch aufgelesene Schrift - nicht so, wie ich wollte, sondern wie ich es eben konnte - radebrechend zusammen aus der Überlieferung der Alten, aus Schriften, aus Monumenten der alten Einwohner Britanniens, aus den Jahrbüchern der Römer sowie den Chroniken der heiligen Väter, namentlich Isidors, Hieronymus', Prospers, Eusebius', und auch aus den Geschichtswerken der Schotten und Sachsen, obwohl sie unsere Feinde sind. Dabei folgte ich den Anweisungen der Älteren und war verschämt darauf bedacht, dass die übrig gebliebenen Ähren der Taten aus der Vergangenheit, deren reiche Saat bereits durch feindlichen Schnitter fremder Völker hier und da herausgerissen wurde, nicht ganz und gar zertreten und der Erinnerung der Nachgeborenen überliefert werden. Doch aufgrund des Zwangs der Verhältnisse war ich bis jetzt kaum in der Lage, auch nur oberflächlich in ausreichendem Maß die aussagen der anderen zu verstehen. Viel weniger noch war ich persönlich geeignet, (es) zu bearbeiten, sondern gleichsam als Barbar die Sprache anderer verstümmelnd habe ich (es) auf gut Glück (eurer Milde) anvertraut.
Und doch ertrug ich es nur mit Mühe, und es schmerzte die Wunde in meinem Inneren, wenn der Name meines einstmals berühmten und herausragenden Volkes durch Vergessenheit zerfressen im Dunst entschwindet. Aber da ich nun einmal lieber der Geschichtsschreiber der Brittonen wäre als gar keiner, obwohl es viele gäbe, die diese mir auferlegte Arbeit besser erfüllen könnten, bitte ich die Leser demütig - wessen Ohren ich auch immer wegen mangelnden Wohlklangs der Worte verletze-, dass sie die wünsche der alten erfüllen und mir den leichten Gefallen tun, unparteiisch meiner Geschichte zuzuhören. Denn oft geht die Tat von jemandem fehl, der unfähig ist, bei dem es glühende Leidenschaft, wenn er fähig wäre, nicht zuließe, dass er sich irre. Daher mögen jene Milde walten lassen, für die der mangelnde Wohlklang meiner simplen Worte unzureichend ist, damit die Wahrheit der Geschichte in den Ohren der Zuhörer nicht wertlos werde, wie sehr ich es auch in meiner Plumpheit wagte, mit unkundiger Sprache gleichsam wie mit einem Pflug zu ackern. Schließlich ist es ja sicherer, den heilsamen Tunk des Beweises aus jedem beliebigen kleinen Bach zu trinken, der sich anbietet, als das mit süßem Honig gemischte Gift verlogener Beredsamkeit aus goldenem Pokal zu genießen..
2[]
Und so möge es dich nicht verdrießen, aufmerksamer Leser, nach der Beseitigung der Spreu der Worte die Körner im Getreidespeicher geschichtlicher Erinnerung einzulagern, da man ja nicht danach urteilt, wer spricht oder auf welche Art gesprochen wird, sondern was gesagt wird, wobei man auf das Zeugnis der Wahrheit in größerer Aufmerksamkeit achtet; denn man schätzt ja auch den minderwertigen Edelstein, nachdem man von (ihm) den Kot, in den man (ihn) geworfen hatte, abgewischt hat, und erachtet (ihn) deshalb für würdig, (ihn) danach seinem Schatz hinzuzufügen. Ich glaube nämlich den Älteren und Redegewandteren, welche sich durch ein gütiges Feuer entflammt bemühten, auf der von Ackerfurchen durchzogenen Sprache des barbarisch Sprechenden den Stoff durch das Schleppnetz römischer Beredsamkeit zu ebnen, wenn sie den unerschütterten Pfeiler der Geschichte, den ich für die Dauer errichtete, ohne Tadel bestehen lassen. Wir wollten dieses daher tun, um unseren Nachkommen zu helfen, und nicht aus Neid gegenüber den Älteren.
Im 858. Jahr der Geburt des Herren, aber im 24. des Mervinus, des Königs der Brittonen. Ich bete darum und wünsche, dass die Mühe dieses Unterfangens das Verdienst der Alten wettmache. Doch diese Vorreden seien genug; das Übrige wird der Gehorsam nach Kräften demütig bittend ergänzen.